Seit einem spektakulären 4:4 gegen Eintracht Braunschweig, das ich als kleiner Steppke 1982 gebannt in der „Sportschau“ (oder einer anderen Sportsendung, so genau ist meine Erinnerung nicht mehr) verfolgte, bin ich dem 1. FC Köln hoffnungslos verfallen (und beobachte seitdem auch die Entwicklung der Eintracht mit Sympathie). Obwohl der „EffZeh“ seinerzeit noch ein großer Name in der Bundesliga war, regelmäßig auf europäischer Ebene spielte und sich am Ende der Dekade unter Christoph Daum sogar anschickte, den „Bayern die Lederhosen auszuziehen“, war das schon damals eine Liebe mit Hindernissen: Denn in der süddeutschen Diaspora, in der ich seinerzeit lebte und zur Schule ging, war man fast ausnahmslos Anhänger des VfB Stuttgart oder eben jenes FC Bayern München. Trotz nachschulischen Wohnsitzwechsels in das fußballerisch liberalere Hessen wurden die Herausforderungen für den sportlichen Enthusiasmus mit dem zeitgleich einsetzenden Niedergang des Vereins nicht geringer. Und jetzt hat sich der 1. FC Köln am vergangenen Wochenende in einem packenden Schlussspurt den fünften Tabellenplatz und damit die direkte Qualifikation für den europäischen Wettbewerb mit dem unwürdigen Namen „Europa League“ gesichert  Für mich ist damit ein kleines Fußballwunder wahr geworden.

Leidenszeiten

Wer Fußball nur bei Europa- und Weltmeisterschaften verfolgt, der typische „Schland-Fan“ also, kann von vornherein nicht nachvollziehen, was es bedeutet, sein Herz an einen Fußballverein zu hängen, was es heißt, jedes Wochenende knapp zwei Stunden gespannt im Stadion, vor dem Fernseher, dem Radio oder einem Liveticker dem Lauf der Spieler und des Balles so gut es geht zu folgen, welche zumindest kurzfristigen Auswirkungen dieses eigentlich völlig absurde Unterfangen von zweiundzwanzig Spielern, eine Lederkugel in das jeweils gegnerische Tor zu schießen, auf die eigene Gemütsverfassung und die unmittelbare Umwelt haben kann. Andere, weitaus wortgewandtere Fans haben diese Leidenschaft in treffende Worte gegossen. Ich bin kein Nick Hornby und will es deshalb auch gar nicht erst versuchen, diesen Beschreibungen meine eigene hinzuzufügen.

Anhänger des „EffZeh“ zu sein, ist aber schon seit geraumer Zeit nicht mit dem Dasein des Gros der Fußballfans in Deutschland zu vergleichen. Seit gut einem Vierteljahrhundert ist man als FC-Fan nämlich neben vorübergehenden Höhen vor allem Tiefen unterschiedlicher Ausprägung gewohnt. Dem „EffZeh“ treu zu bleiben ist jedenfalls seit dem des ersten Abstieg in der Saison 1997/98 vor allem charakterliche Schulung: Man hat gelernt, trotz aller Enttäuschungen die Hoffnung nicht zu verlieren, Niederlagen wegzustecken und den Silberstreif am Horizont zu sehen. Oder in den Dimensionen, in denen man in Köln traditionell denkt: sich trotz drohenden Abstiegs auf die „Champions League“-Teilnahme in der kommenden Saison vorzubereiten. Da konnten alle ehemaligen Weltmeister, alle Systemtrainer und selbst „der Prinz“ nicht helfen.

Neubeginn und kontinuierlicher Aufstieg

Doch nachdem der Verein völlig im Chaos zu versinken drohte, hat sich im April 2012 mit der Wahl von Werner Spinner zum neuen Präsidenten und der Wahl von Harald „Toni“ Schumacher sowie Markus Ritterbach zu den neuen Vizepräsidenten etwas geändert. Zusammen mit der Etablierung einer neuen sportlichen Leitung aus Jörg Schmadtke als Geschäftsführer Sport, Alexander Wehrle als Geschäftsführer und Jörg Jakobs als Leiter Lizenzbereich im Jahr 2013 sowie der Verpflichtung des Trainerteams um Peter Stöger und Manfred Schmid im selben Jahr hat die Wahl des neuen Präsidiums der launischen Diva vom Rhein Disziplin, (etwas mehr) Bescheidenheit und neuen Mut verliehen. In allen Bereichen des Vereins sind so größere und kleinere Paradigmenwechseln erfolgt, etwa in der Transferpolitik weg von der prestigeträchtigen Verpflichtung teurer (Ex-) Stars mit Länderspielerfahrung zur gezielten Verpflichtung sog. Perspektivspieler oder in der Öffentlichkeitsarbeit, in der nun (soweit möglich) Ruhe angesagt wurde und Stögers Wiener Schmäh der traditionell unruhigen Kölner Sportpresselandschaft immer wieder den Wind aus den Segeln nahm. Diese Entwicklungen wurden bereits vielfach beschrieben.

„Vielleicht war der Schiedsrichter ja überrascht, dass wir in den ersten zehn Minuten schon zweimal im Strafraum waren.“ (Peter Stöger am 30. November 2014)

Wichtiger für den Fußballfan ist jedoch: Mit der Neuausrichtung stellte sich auch der Erfolg ein, und das sogar vergleichsweise schnell. Bereits in der ersten Saison unter Peter Stöger stieg der Verein wieder in die 1. Bundesliga auf, und das souverän als Zweitligameister. Es folgte eine solide Erstligasaison, die mit 40 Punkten auf Platz 12 abgeschlossen wurde, ohne dass jemals ernsthaft der Abstieg drohte. Im zweiten Jahr gelang dem „EffZeh“ dann mit Platz 9 (bei 43 Punkten) bereits die beste Platzierung in der Bundesliga  seit der Saison 1991/92 – und in der vergangenen Saison legte der Club sogar noch sechs Punkte drauf, was am Ende zu Platz 5 und damit der Rückkehr in das internationale Geschäft reichte.

Vorläufiger Höhepunkt: die Saison 2016/17

Die nüchternen Zahlen allein können aber nicht verdeutlichen, was die letzten Jahre für den treuen Fan bedeuten: Man bangt wochenends nicht mehr nur, dass die Niederlagen nicht zu hoch ausfallen mögen. Nein, man kann mittlerweile vielmehr in schöner Regelmäßigkeit Siege feiern – und nach einem sehr defensivaffinen Fußball in der Saison 2014/15 jetzt sogar immer öfter (wenn auch leider gerade gegen „kleinere“ Gegner bei weitem nicht immer) einen mutigen, offensiv und spielerisch starken „EffZeh“ bewundern, bisweilen gekrönt durch sensationelle Tore wie den Treffer von Anthony Modeste gegen die „Bayern“ im Auswärtsspiel in München oder die jeweils zum Tor des Monats gekürten Kunstschüsse von Marcel Risse.  Um zu ermessen, wie stark die Leistung der Mannschaft in der vergangenen Saison wirklich war, muss man sich vor Augen halten, dass nicht nur eben dieser Doppeltordesmonatsschütze Risse und damit der bis dahin stärkste Antreiber im offensiven Mittelfeld seit dem 14. Spieltag verletzungsbedingt ausgefallen war. Auch andere Topleistungsträger wie der Torwart der deutschen Olympiasilbermedaillengewinner1. FC Köln Timo Horn, der kreative Spielgestalter Leonardo Bittencourt und Mannschaftskapitän Matthias Lehmann fehlten monatelang. Dass das Team dennoch nicht auseinandergefallen ist, sondern mit kleinen Unterbrechungen regelmäßig gepunktet hat, ist eine bärenstarke Leistung, zu der insbesondere auch die engagierten Reservisten wie Vereins“urgestein“ Thomas Kessler beigetragen haben.

Es ist angesichts der zwischenzeitlichen Verletzungsmisere daher nur die halbe Wahrheit, wenn der diesjährige Erfolg des „EffZeh“ bisweilen mit der schlechten Leistung anderer Vereine namentlich aus Mönchengladbach, Gelsenkirchen oder Leverkusen erklärt wird. Wenngleich natürlich auch das in den letzten zwanzig Jahren viel zu oft fehlende Glück diesmal durchaus in der einen oder anderen Partie mit den Rot-Weißen war, hat sich der 1. FC Köln die gute Endplatzierung durch großen Kampfgeist und mutige, mitreißende Spiele wie zuletzt gegen Werder Bremen vielmehr redlich verdient.  Nicht ohne Grund hat die Mannschaft gerade auch gegen die am Ende in der Tabelle weiter vorne rangierenden Vereine aus München, Leipzig, Dortmund und Hoffenheim punkten (wenn auch nicht bzw. nur im DFB-Pokal gewinnen) können.

Ich möchte mich an dieser Stelle also einmal öffentlich, in aller Form und von ganzem Fanherzen beim 1. FC Köln bedanken – beginnend natürlich bei allen Spielern sowie beim Trainerstab, dem Management und dem Präsidium, aber ebenfalls bei den vielen Helfern im Hintergrund und insbesondere auch bei Guido Ostrowski, dessen mitreißende Kommentierungen im zur Saison 2016/17 etablierten grandiosen FC-Radio die Liebe zum Verein noch spürbarer und die Spieltage für den leidenden Fan noch emotionaler machen. Der Verein mit dem Geißbock macht dank all dieser Menschen (und mit Hilfe des viel beschworenen Fußballgottes) seit einiger Zeit endlich auch wieder so richtig Bock, wenn mir dieser billige Wortwitz gestattet ist. Und selbst wenn es so nicht bleiben sollte, weil die finanzstarken Konkurrenten schon darauf warten, die Leistungsträger aus ihren Verträgen herauszukaufen, weil die Mannschaft in der kommenden Saison unter der Mehrfachbelastung mit dem europäischen Wettbewerb leidet oder weil (außer bei den „Bayern“) auf jeden Höhenflug einmal eine Schwächephase folgt: Das werde ich auch in den nächsten 25 Jahren nicht vergessen. Danke.

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Andreas Blohm

Andreas Blohm

Lebt als Vater von drei Kindern und arbeitet als Volljurist in Bonn. Politisch und musikalisch gleichermaßen interessiert wie untalentiert. Bloggt hier unregelmäßig über Banales und Basales.