Schon vor mehr als einem Vierteljahrhundert wusste der große Reinhard Mey: „Nichts ist so erlabend wie ein Elternabend.“ Dieses ganz besondere Vergnügen steht derzeit vielen Eltern wieder unmittelbar bevor, nachdem vor anderthalb Wochen in Nordrhein-Westfalen das neue Schuljahr begonnen hat. Heimlicher Höhepunkt dieser ersten „Klassenpflegschaftssitzungen“, wie die Elternabende an Rhein und Ruhr offiziell heißen, ist die Wahl der Elternvertreter. Denn § 73 Abs. 1 S. 2 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (SchulG NRW) bestimmt, dass die „Klassenpflegschaft … zu Beginn des Schuljahres eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter“ wählt. Dabei herrscht des Öfteren Unsicherheit über einzelne Aspekte des Verfahrens. Im Folgenden soll deshalb versucht werden, auf einige der Fragen, die in diesem Zusammenhang häufig gestellt werden, eine – natürlich unverbindliche – Antwort zu geben.
Den nachfolgenden Ausführungen wird das Recht des Landes Nordrhein-Westfalen zugrunde gelegt. Für Schulen in anderen Bundesländern und für nicht staatliche Schulen kann anderes gelten. Darüber hinaus sollen die Schulen ergänzende Wahlvorschriften erlassen (§ 64 Abs. 5 SchulG NRW). Diese können die gesetzlichen Bestimmungen konkretisieren und ergänzen.
Wer ist bei der Wahl der Elternvertreter stimmberechtigt?
Stimmberechtigt sind in den Mitwirkungsgremien der Schule „die Mitglieder des Mitwirkungsgremiums“ (§ 63 Abs. 3 S. 1 SchulG NRW). Bisweilen wird bezweifelt, dass es sich bei der Klassenpflegschaft um ein „Mitwirkungsgremium“ handelt. Die Klassenpflegschaft wird allerdings in § 73 SchulG NRW und damit im zweiten Abschnitt des siebten Gesetzesteils geregelt, der sich mit der „Mitwirkung in der Schule“ als Teil der „Schulverfassung“ befasst. Daher handelt es sich bei der Klassenpflegschaft jedenfalls nach derzeit geltender Rechtslage um ein Mitwirkungsgremium (so auch Jülich/van den Hövel, Schulrechtshandbuch NRW, Loseblattsammlung, Stand: 77. Ergänzungslieferung [8/2021], § 62 Rn. 8). Stimmberechtigt sind also die Mitglieder der Klassenpflegschaft.
Das sind nach § 73 Abs. 1 S. 1 SchulG NRW
- die Eltern der Schüler:innen in der betreffenden Klasse,
- die Klassenlehrer:innen und
- ab Klasse 7 die Klassensprecher:innen und ihre Stellvertreter:innen
Klassenlehrer:innen und Klassensprecher:innen (sowie ihre Stellvertreter:innen) sind aber nur „mit beratender Stimme“ Mitglieder der Klassenpflegschaft. Sie sind daher auch bei der Wahl der Elternverteter nicht stimmberechtigt. Gerade auch bei der Wahl der Elternvertreter sind also nur die Eltern stimmberechtigt.
Wer sind denn die „Eltern“ – und was gilt bei volljährigen Schülern?
Im Regelfall herrscht keine Unklarheit über die Frage, wer die „Eltern“ der Schüler:innen sind. Das muss aber nicht immer so sein. Zu denken ist etwa an Fälle, in denen die Eltern geschieden oder gestorben sind oder das Sorgerecht für das Kind sonst besonders geregelt ist. Das Schulgesetz trifft daher in § 123 Abs. 1 SchulG NRW eine detaillierte Regelung zu der Frage, wer die Rechte und Pflichten der Eltern – also auch das Stimmrecht in der Klassenpflegschaft – wahrnimmt. Das sind
- die nach bürgerlichem Recht für die Person des Kindes Sorgeberechtigten,
- Betreuer:innen volljähriger Schüler:innen für den schulischen Aufgabenkreis (wobei die Bestellungsurkunde der Schule vorgelegt werden muss),
- an Stelle der oder neben den Personensorgeberechtigten diejenigen, denen die Erziehung des Kindes mit Einverständnis der Personensorgeberechtigten anvertraut oder mitanvertraut ist (wobei das Einverständnis der Schule schriftlich nachzuweisen ist),
- der Lebenspartner oder die Lebenspartnerin des allein sorgeberechtigten Elternteils im Rahmen von § 9 des früheren Lebenspartnerschaftsgesetzes.
Wurde etwa bei geschiedenen oder getrennt lebenden Eltern das elterliche Sorgerecht allein auf einen Elternteil übertragen, nimmt der andere Elternteil keine elterlichen Rechte und Pflichten nach dem Schulgesetz wahr. Er hat dann insbesondere auch kein Recht auf schulische Mitwirkung (VG Aachen, Beschl. v. 28.12.2009 – Az. 9 L 503/09 ), etwa in der Klassenpflegschaft.
Insbesondere in den letzten Jahrgangsstufen der weiterführenden Schulen kann es überdies vorkommen, dass Schüler:innen bereits volljährig sind. Nach § 123 Abs. 2 SchulG NRW nehmen sie dann die durch das Gesetz geregelten Rechte und Pflichten selbst wahr. Volljährige Schüler:innen – und nicht etwa ihre Eltern – sind daher selbst Mitglieder der jeweiligen Klassenpflegschaft. Ihre Eltern können lediglich „daneben mit beratender Stimme teilnehmen“ (§ 73 Abs. 1 S. 2 SchulG NRW). Sie sind daher auch bei der Wahl der Elternvertreter nicht stimmberechtigt.
Wie viele Stimmen haben Eltern im Falle von Meinungsverschiedenheiten und Eltern von Mehrlingen?
Nach § 73 Abs. 1 S. 4 SchulG NRW haben die Eltern „für jedes Kind gemeinsam eine Stimme“.
Das bedeutet, dass sich mehrere Personen, die „Eltern“ im Sinne des Schulgesetzes sind, darauf einigen müssen, wie sie für ihr Kind abstimmen wollen. Geschiedene Eltern eines Kindes, die sich das Sorgerecht teilen, können daher beispielsweise nicht unterschiedlich abstimmen. Kommt keine Einigung zustande, können die betreffenden Eltern keine wirksame Stimme abgeben (Wolfering, in: Jehkul u. a., Schulgesetz NRW, Loseblattsammlung, Stand: 26. Ergänzungslieferung [4/2021], § 73 Anm. 1.3).
Das Stimmrecht gilt allerdings „für jedes Kind“. Bei Mehrlingskindern (Zwillingen, Drillingen usw.) oder mehreren Kindern unterschiedlichen Alters, die dieselbe Klasse besuchen, haben die Eltern also nicht nur eine Stimme, sondern mehrere – für jedes Kind eine (Wolfering, a. a. O., § 64 Anm. 1.7). Dabei müssen sie für jedes Kind ihre Stimme „gemeinsam“ abgeben, nicht aber für alle Kinder. Mit anderen Worten: Zwillingseltern können beispielsweise ihr Stimmrecht so ausüben, dass sie mit Blick auf das eine Kind (gemeinsam) Person A, mit Blick auf das andere Kind aber (gemeinsam) Person B wählen.
„Zu Punkt eins ein wenig später,
Die Wahl des Elternvertreter.
Jetzt heißt es, sich ducken,
Sich tot stell‘n, nicht aufmucken!
Bis es einen andern getroffen hat.“Reinhard Mey, Elternabend
Wer kann zum Elternvertreter gewählt werden?
Eine ausdrückliche Regelung zu der Frage, wer zum Vorsitzenden oder der Vorsitzenden der Klassenpflegschaft oder zum/-r stellvertretenden Vorsitzenden gewählt werden kann, enthält das Schulgesetz nicht. Das frühere Schulmitwirkungsgesetz hatte noch vorgesehen, dass die Elternvertreter „aus dem Kreis der Erziehungsberechtigten“ gewählt werden. Diese waren seinerzeit zugleich die (stimmberechtigten) Mitglieder der Klassenpflegschaft.
Dementsprechend wird man auch für die geltende Rechtslage davon ausgehen dürfen, dass das aktive Wahlrecht grundsätzlich mit dem passiven Wahlrecht einhergeht. Dieses kann jedoch insbesondere aufgrund strafrechtlicher Verurteilungen zeitweise ausgesetzt sein (vgl. Jülich/van den Hövel, a. a. O., § 64 Rn. 8; Wolfering, a. a. O., § 64 Anm. 1.6). Darüber hinaus können Lehrer:innen nicht als Elternvertreter:innen an der eigenen Schule gewählt werden (§ 63 Abs. 3 S. 4 SchulG NRW).
Können auch Abwesende gewählt werden?
Auch zu der Frage, ob abwesende Mitglieder der Klassenpflegschaft gewählt werden können, enthält das Schulgesetz keine explizite Aussage. In der Kommentarliteratur wird allerdings davon ausgegangen, dass dies möglich ist (hierzu und zum Folgenden Wolfering, a. a. O., § 64 Anm. 1.4). Voraussetzung dafür ist, dass das abwesende Mitglied in der Klassenpflegschaftssitzung zur Wahl vorgeschlagen wird und es vorab gegenüber dem bzw. der Vorsitzenden oder einem stimmberechtigten Mitglied verbindlich erklärt hat, im Falle seiner/ihrer Wahl diese anzunehmen. Diese Erklärung soll an keine Form gebunden sein. Deshalb soll es ausreichen, wenn die Person, gegenüber der diese Erklärung abgegeben wurde, mitteilt, dass die abwesende Person eine solche Erklärung abgegeben hat.
Ist es möglich, dass ein Elternteil eines Kindes zum/-r Vorsitzenden und der andere Elternteil zum/-r stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wird?
Die Konstellation, in welcher der eine Elternteil eines Kindes zum/-r Vorsitzenden und der andere Elternteil zu seinem/ihrem Stellvertreter/-in gewählt wird, dürfte zwar geringe praktische Bedeutung haben. Sie ist jedoch zumindest theoretisch denkbar. Eine ausdrückliche Regelung zu der damit aufgeworfenen Frage enthält das Schulgesetz nicht. Im Ergebnis sprechen jedoch keine durchgreifenden Bedenken gegen eine solche „Doppelwahl“.
Der Wortlaut von § 73 Abs. 1 S. 3 SchulG NRW enthält keine Beschränkung in Bezug auf das passive Wahlrecht. Beide Elternteile gehören zur Klassenpflegschaft (§ 73 Abs. 1 S. 1 SchulG NRW) und sind damit nach § 63 Abs. 3 S. 1 SchulG NRW) bei der Wahl der Pflegschaftsvorsitzenden stimmberechtigt. Da das aktive Wahlrecht grundsätzlich mit dem passiven Wahlrecht einhergeht (siehe oben), können dem Gesetzeswortlaut zufolge also auch beide Elternteile gewählt werden.
Die gesetzliche Systematik weist in dieselbe Richtung. Denn für das aktive Wahlrecht regelt § 73 Abs. 1 S. 4 SchulG NRW ausdrücklich, dass die Eltern für jedes Kind gemeinsam (nur) eine Stimme haben. Auf eine entsprechende Regelung für das passive Wahlrecht hat der Gesetzgeber demgegenüber verzichtet. Das legt den Umkehrschluss nahe, dass beide Eltern eines Kindes gewählt werden können.
Auch Sinn und Zweck sprechen für die Möglichkeit, beide Eltern zu wählen. Dagegen scheint zwar tendenziell der Umstand zu sprechen, dass die Funktion einer Stellvertretung unter Umständen nur eingeschränkt erfüllt wird, wenn Vorsitz und Stellvertretung von den Mitgliedern desselben Haushalts wahrgenommen werden. Denn dann könnten sie zum Beispiel öfter gleichzeitig von Krankheiten und Abwesenheiten betroffen sein. Dieses Risiko besteht aber schon nicht immer, etwa wenn nur ein Elternteil erkrankt oder abwesend (Dienstreise usw.) ist. Und es ist insbesondere weder zwingend für die Eltern eines Kindes (etwa bei getrennt Lebenden), noch sind solche Risiken auf diesen Personenkreis beschränkt (etwa wenn Single-Eltern zweier Kinder zusammenleben).
Demgegenüber sprechen andere Gründe für die Möglichkeit einer „Doppelspitze“. Wichtigster Aspekt ist insoweit die Entscheidungsfreiheit der Klassenpflegschaft. Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende werden in freier und geheimer Wahl in getrennten Wahlgängen bestimmt. Wenn sich der hieraus ergebende Mehrheitswille ist, dass – in Kenntnis der mit einer solchen Wahl eventuell einhergehenden Risiken – beide Eltern gewählt werden, dann gibt es keinen Grund, diese Entscheidung nicht zu respektieren. Im Gegenteil spricht auch der Aspekt, dass die Posten in der Praxis oft nicht so leicht zu besetzen sind, gegen eine Einschränkung der Wahlmöglichkeiten über den Wortlaut der gesetzlichen Vorschriften hinaus.
Können Elternvertreter:innen auch einfach in offener Wahl gewählt werden?
Nein. § 64 Abs. 1 S. 1 SchulG NRW schreibt eindeutig vor, dass die „Vorsitzenden der Mitwirkungsgremien und ihre Stellvertretungen … in geheimen Wahlgängen gewählt“ werden. Selbst wenn also alle anwesenden Eltern mit einer offenen Wahl einverstanden sein sollten, wäre ein solches Verfahren unzulässig. Offene Wahlen sind nur für andere Funktionen zulässig – und dort in § 64 Abs. 1 S. 2 SchulG NRW sogar für den Regelfall vorgesehen.
Wer gewinnt die Wahl?
Gewählt ist nach § 64 Abs. 1 S. 3 SchulG NRW, „wer die meisten Stimmen erhalten hat“. Ausreichend – aber auch erforderlich – ist damit eine einfache Mehrheit der anwesenden Stimmberechtigten (Wolfering, a. a. O., § 64 Anm. 1.3). Bei Stimmengleichheit entscheidet nach § 64 Abs. 1 S. 4 SchulG NRW eine Stichwahl und bei erneuter Stimmengleichheit das Los.
Setzt die Wahl von Elternvertreter:innen voraus, dass jeweils tatsächlich mehr als ein Kandidat bzw. eine Kandidatin zur „Wahl“ steht?
Betrachtet man den Begriff „Wahl“, könnte man es für erforderlich halten, dass tatsächlich eine „Auswahl“ aus mehreren Bewerber:innen erfolgt. Auch die Regelung in § 64 Abs. 1 S. 3 SchulG NRW, wonach derjenige gewählt ist, der die „meisten“ Stimmen auf sich vereint, könnte dafür sprechen, dass das Gesetz die Kandidatur von zumindest zwei Kandidat:innen fordert.
Richtigerweise wird es aber ausreichend sein, dass sich ein einziger Kandidat bzw. eine einzige Kandidatin „zur Wahl“ stellt. Der Wortlaut steht dem nicht entgegen, da die Klassenpflegschaft ja auch diese einzelnen Kandidat:innen mit der Stimmabgabe „auswählt“. Da niemand sonst mehr Stimmen hat als der Einzelkandidat bzw. die Einzelkandidatin, hat er bzw. sie auch die „meisten“ Stimmen erhalten. Dementsprechend spricht beispielsweise das Grundgesetz auch davon, dass der „Bundeskanzler … auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage … gewählt“ wird (Art. 63 Abs. 1 GG), obwohl hier ausschließlich der vorgeschlagene Kandidat bzw. die vorgeschlagene Kandidatin gewählt (oder abgelehnt) werden kann (Oldiges, in: Sachs, GG, 7. A., 2014, Art. 63 Rn. 21).
Entscheidend dürften aber Sinn und Zweck gegen die Notwendigkeit von mehr als einem Kandidaten bzw. einer Kandidatin sprechen. Die Voraussetzung der Wahl soll sicherstellen, dass diejenige Person die Klassenpflegschaft vertritt, die von dieser am stärksten unterstützt wird. Es ist – wie gezeigt – dabei allerdings nicht erforderlich, dass die gewählte Person von der Mehrzahl der Eltern oder auch nur der anwesenden Stimmberechtigten gewählt wird. Im Extremfall wäre bei einer Wahl zwischen zwei Kandidat:innen auch diejenige Person gewählt, die als einzige eine Stimme erhält – bei Enthaltung aller anderen Eltern. Einzelkandidat:innen, die einen Großteil oder sogar alle Stimmen erhalten, sind im Vergleich dazu weit stärker als Vertreter:innen der Eltern legitimiert. Gerade das Fehlen von Gegenkandidat:innen kann überdies als Indiz für die Unterstützung der gewählten Person durch die Eltern gewertet werden. Die in der Praxis verbreitete „Pro-forma“-Aufstellung von Gegenkandidat:innen wäre demgegenüber eine sinnbefreite Förmelei.
Kann man gezielt nur für den stellvertretenden Vorsitz kandidieren oder setzt eine entsprechende Kandidatur voraus, dass man zuvor – erfolglos – bereits für den Vorsitz kandidiert hat?
Das Gesetz trifft hierzu keine ausdrückliche Regelung. Entscheidend müssen also auch hier Sinn und Zweck der Vorschrift sein. Durch die Wahl eines Stellvertreters bzw. einer Stellvertreterin in soll sichergestellt werden, dass das Mitwirkungsgremium – hier also die Klassenpflegschaft – auch dann handlungsfähig ist, wenn der bzw. die Vorsitzende kurz- oder auch längerfristig verhindert ist. Hierfür ist nur erforderlich, dass überhaupt ein Stellvertreter oder eine Stellvertreterin gewählt wird. Ob sich die betreffende Person zuvor – erfolglos – um das Amt des Vorsitzenden oder der Vorsitzenden bemüht hat, ist demgegenüber unerheblich.
Vielmehr kann es gute Gründe geben, dass Kandidat:innen nur das Amt des Stellvertreters bzw. der Stellvertrerin anstreben, etwa mit Blick auf die potentiell geringere zeitliche Belastung, die jedenfalls in aller Regel mit der bloßen Stellvertretung verbunden ist. Wäre man dennoch gezwungen, sich zuvor auf den Vorsitz zu bewerben, bestünde zumindest theoretisch das „Risiko“, dass man auf dieses Amt gewählt wird (und dann z. B. den höheren zeitlichen Belastungen ausgesetzt würde). Das könnte dazu führen, dass Eltern, die eigentlich für das Amt des Stellvertreters bzw. der Stellvertreterin in zur Verfügung stünden, von einer entsprechenden Kandidatur absehen. Darüber hinaus müsste man bei einer anderen Sichtweise zunächst die Wahl um den Vorsitz verlieren, um die eigentlich angestrebte Position zu erhalten. Man wäre also mit dem „Makel der Wahlniederlage“ behaftet, was ebenfalls abschreckend wirken könnte.
Es ist vor diesem Hintergrund nicht erforderlich, sich zunächst – erfolglos – zur Wahl für das Amt des Vorsitzenden bzw. der Vorsitzenden der Klassenpflegschaft zu stellen, um danach als sein Stellvertreter bzw. ihre Stellvertreterin gewählt zu werden. Vielmehr ist es möglich, ausschließlich für den stellvertretenden Vorsitz zu kandidieren.
Können Klassenpflegschaftvorsitzende und stellvertretende Vorsitzende auch in einem Wahlgang gemeinsam gewählt werden?
Bisweilen stellt sich die Frage, ob der Einfachheit halber Elternvertreter:innen und Stellvertreter:innen nicht einfach gemeinsam kandidieren und gewählt werden können. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn ein im vorherigen Schuljahr bewährtes „Team“ auch im neuen Schuljahr weitermachen möchte. Eine solche gemeinsame Wahl ist jedoch nicht möglich.
§ 64 Abs. 1 S. 1 SchulG sieht vor, dass die Vorsitzenden der Klassenpflegschaft und ihre Stellvertretungen „in geheimen Wahlgängen“ gewählt werden. Bereits dieser Plural lässt anklingen, dass Wahlen für die beiden Ämter in getrennten Wahlgängen durchzuführen sind (OVG Münster, Beschl. v. 26.5.2014 – Az. 19 B 203/14, Rn. 19 [NRWE]). Das wird bestätigt durch § 64 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 SchulG NRW. Nach dieser Vorschrift können „andere“ Wahlen (als die Wahl von Elternvertreter:innen und von Mitgliedern der Schulkonferenz) unter bestimmten Voraussetzungen „für verschiedene Ämter in einem Wahlgang durchgeführt werden“. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass eine solche gemeinsame Wahl bei den von dieser Vorschrift nicht erfassten Wahlen nicht möglich ist, also insbesondere auch nicht bei der Wahl der Elternvertreter:innen. Die Rechtsprechung spricht insoweit vom „Gebot personenbezogener Wahlgänge“ (OVG Münster, Beschl. v. 26.5.2014 – Az. 19 B 203/14, Rn. 5 und 19 [NRWE]).
Was passiert, wenn sich niemand zur Wahl stellt?
Während es in manchen Klassenpflegschaften Kampfkandidaturen um den Posten des Elternvertreters bzw. der Elternvertreterin gibt, haben andere Klassenpflegschaften das entgegengesetzte Problem, dass sich niemand findet, der bereit ist, für diesen Posten zu kandidieren. Es stellt sich daher in der Praxis durchaus bisweilen die Frage, was passiert, wenn sich trotz aller Appelle und Mahnungen seitens der Klassenlehrer:innen niemand findet, der zur Kandidatur bereit ist.
Auch zu dieser Frage enthält das Schulgesetz keine ausdrückliche Regelung. Im Wortlaut von § 73 Abs. 1 S. 3 SchulG NRW klingt allerdings eine Pflicht (der Klassenpflegschaft) an, Elternvertreter:innen zu wählen („Die Klassenpflegschaft wählt …“). Auch geht § 63 Abs. 1 S. 1 SchulG NRW, dem zufolge die oder der „Vorsitzende … das Mitwirkungsgremium bei Bedarf“ einberuft , erkennbar davon aus, dass die Mitwirkungsgremien grundsätzlich über einen Vorsitzenden bzw. eine Vorsitzende verfügen.
Im Gegensatz zu Lehrer:innen (§ 62 Abs. 6 S. 2 SchulG NRW) sind Eltern jedoch gerade nicht verpflichtet, in den Mitwirkungsgremien tätig zu werden. Dementsprechend fehlt für die Klassenpflegschaft eine Regelung wie § 68 Abs. 4 S. 2 SchulG NRW, wonach in die Lehrerkonferenz gewählte Lehrer:innen verpflichtet sind, die Wahl anzunehmen, sofern kein wichtiger Grund dem entgegensteht.
Vielmehr kann die Weigerung aller Eltern, sich zu Klassenpflegschaftsvorsitzenden bzw. stellvertretenden Vorsitzenden wählen zu lassen, ihrerseits als Ausdruck einer diesbezüglichen Entscheidungsbildung gesehen werden: Die Klassenpflegschaft ist ein Gremium zur Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder (grundsätzlich also von Elterninteressen, siehe Jülich/van den Hövel, a. a. O., § 73 Rn. 2). Eine Klassenpflegschaft, die kein Interesse daran hat, in der Schulpflegschaft mitzuwirken, wirkt dann eben auch nicht mit. Sollte es in der Praxis hierzu kommen, wäre das sicher nicht erfreulich und kein Ausweis einer vertrauensvollen Zusammenarbeit, wie sie § 62 Abs. 1 S. 1 SchulG NRW eigentlich vorsieht. Dem mit einer Wahlpflicht zu begegnen erschiene jedoch als von vornherein untaugliches Mittel. Es würde insbesondere auch kontraproduktive Anreize in Bezug auf die Teilnahme an den jeweiligen Mitwirkungsgremien (Klassen- und Schulpflegschaft) setzen.
Können auch Schüler:innen zu Pflegschaftsvorsitzenden gewählt werden?
Diese Frage stellt sich bei volljährigen Schüler:innen. Diese sind, wie oben gezeigt, Mitglieder der jeweiligen Klassenpflegschaften. Entsprechendes gilt in den höheren Jahrgängen, in denen es keinen Klassenverbund mehr gibt, in Bezug auf die dann gebildete Jahrgangsstufenpflegschaft (§ 73 Abs. 3 SchulG NRW).
Die Frage, ob diese (volljährigen) Schüler:innen dann zu (ggf. stellvertretenden) Vorsitzenden der jeweiligen Pflegschaft gewählt werden können, wirkt zunächst seltsam, wenn man – wie im vorstehenden Text – den Begriff der Pflegschaftsvorsitzenden weitgehend synonym mit dem umgangssprachlichen Begriff der Elternvertrer:innen verwendet. Dass Schüler:innen in schulischen Mitwirkungsgremien die Eltern vertreten können, erscheint eher abwegig. In Wirklichkeit geht es aber um etwas anderes. Denn der Begriff der Elternvertreter:innen ist zwar griffig, aber unpräzise. Es geht nicht um die Interessen der Eltern, sondern letzten Endes darum, dasss diejenigen Personen an der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schule mitwirken (§ 62 Abs. 1 S. 1 SchulG NRW) können, die für die Entscheidung über die Bildung und Erziehung der Schüler:innen rechtlich zuständig sind. Das kommt deutlich in § 123 SchulG NRW zum Ausdruck. Diese Vorschrift definiert, wie ebenfalls oben gezeigt, wer die „Rechte und Pflichten der Eltern“ wahrnimmt. Dabei stellt sie im Grundsatz maßgeblich auf die Befugnis zur Entscheidung über die schulischen Angelegenheit der Schüler:innen ab.
Damit im Einklang steht es, dass nach § 123 Abs. 2 SchulG NRW volljährige Schüler:innen die durch das Schulgesetz geregelten „Rechte und Pflichten der Eltern … selbst wahr[nehmen]“. Denn mit Eintritt der Volljährigkeit können sie grundsätzlich selbst über ihre Angelegenheiten entscheiden. Indem sie in die schulrechtlichen Rechte und Pflichten der Eltern eintreten, werden sie insbesondere auch „mit Eintritt der Volljährigkeit Mitglieder“ der Klassenpflegschaft (bzw. einer etwaigen Jahrgangsstufenpflegschaft) (so ausdrücklich die Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 13/5394, 81, 108 [zu § 73]). Damit sind volljährige Schüler:innen in den Pflegschaften an sich sowohl aktiv als auch passiv wahlberechtigt.
Dagegen spricht auch nicht, dass die Klassenpflegschaftsvorsitzenden (sowie die von den Jahrgangsstufen gewählten Vertreter:innen) die Schulpflegschaft bilden (§ 72 Abs. 1 S. 1 SchulG NRW) und diese Schulpflegschaft die Interessen der Eltern bei der Gestaltung der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schule vertritt (§ 72 Abs. 2 S. 1 SchulG NRW). Schließlich treten nach § 123 Abs. 2 SchulG NRW die volljährigen Schüler:innen ja gerade an die Stelle ihrer Eltern. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum über die Schulpflegschaft nur solche Personen an der Bildungs- und Erziehungsarbeit der Schule mitwirken dürften, die überhaupt keine rechtliche Befugnis haben, über die schulischen Angelegenheiten volljähriger Schüler:innen zu bestimmen.
Volljährige Schüler:innen können damit sowohl über die Schulpflegschaft als auch über den Schülerrat (§ 74 Abs. 3 SchulG NRW) an der schulischen Erziehungs- und Bildungsarbeit mitwirken (§ 66 Abs. 3 SchulG NRW). Auch dieser Umstand spricht aber nicht gegen die Annahme, dass volljährige Schüler:innen zu Pflegschaftsvorsitzenden gewählt werden können. Denn als solche vertreten sie in erster Linie die Interessen derjenigen, die über die schulischen Angelegenheiten der Schüler:innen bestimmen können. Als Mitglieder des Schülerrats vertreten sie demgegenüber die Interessen derjenigen, die beschult werden und damit den Entscheidungen der Schule unmittelbar selbst unterworfen sind. Die volljährigen Schüler:innen bringen somit über die beiden Gremien unterschiedliche Perspektiven ihrer Stellung innerhalb der Schule ein.
29.8.2023: Ergänzung um die Frage „Können auch Schüler:innen zu Pflegschaftsvorsitzenden gewählt werden?“. Herrn Prof. Dr. Alexander Koch gebührt Dank für den diesbezüglichen Meinungsaustausch.
15.8.2023: Anpassung an die Änderungen durch das 15. Schulrechtsänderungsgeesetz vom 29. Mai 2020 und durch das 16. Schulrechtsänderungsgesetz vom 23. Februar 2022.
31.8.2021: Es wurden die Fragen „Ist es möglich, dass ein Elternteil eines Kindes zum Vorsitzenden und der andere Elternteil zu seinem Stellvertreter gewählt wird?“ und „Was passiert, wenn sich niemand zur Wahl stellt?“ ergänzt. Außerdem wurde die zitierte Literatur aktualisiert.
Andreas Blohm
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